Dieses Audio wurde gesprochen von: Andi

KAPITEL 14

Vertrauen

 

In meinem Kopf spielten sich verschiedene Szenarien ab. Mein Chef vermutete etwas und er war sicher schon längst auf der Suche nach Beweisen für seine Ahnung. 

Sobald er sich sicher genug war, würde er mich vermutlich auch ausschalten wollen. Er war so paranoid geworden, dass man ihn verraten habe und unterwerfen wolle. 

Der alte Hase wusste von meiner Befürchtung, ich hatte ihn ja ungefragt mit in die ganze Sache hineingezogen. Er meinte, er regelt das und dass auch er gute Kontakte zu vielen Leuten hier in Wien habe.

Also blieb mir nur abzuwarten und zu hoffen, dass sein Wort mehr zählte als das meines Chefs. Wem würde man eher glauben? Ich wusste, dass mein Chef sehr überzeugend sein konnte. Er war wortgewandt, kannte sich rechtlich aus und wusste, wie man schauspielerisch die Leute um den Finger wickeln konnte.

Aber das konnte ich auch. Seit meiner Ankunft hier in Wien hatte ich mich stets bemüht, mit keinem in Streit zu geraten. Für die meisten war ich wohl die liebe brave Rebekka, unauffällig, ungefährlich. Oberflächlich betrachtet kam ich mit allen ganz gut zurecht – aber reichte diese Höflichkeitssympathie um bei entsprechender Summe „Nein“ zu sagen? Würden sich die Kontakte und zum Teil ja auch Freunde meines Chefs im Fall der Fälle auf meine Seite schlagen? Selbst wenn, irgendwen würde er sicher finden, der käuflich war.

Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Ich musste stark mit mir kämpfen, um nicht den Verstand zu verlieren.

Vielleicht war ja alles nur halb so schlimm. Vielleicht hatte ich ihn nur falsch verstanden, das ganze könnte aufgelöst werden, niemand wäre in Gefahr – wir trinken Kaffee im Büro und mein Chef beschwert sich über die Pol, während der eine Mitarbeiter über seine Geldprobleme jammert und die Lilie von der letzten Bollwerkparty erzählt. Alles wäre wie immer.

Man kann sich vieles selbst einreden. Aber es gibt Grenzen. An eine heile Welt konnte ich schon lange nicht mehr glauben, zumal mir mein Chef auch erzählt hatte, er habe eine Waffe gekauft – natürlich bloß “zur Selbstverteidigung”.

Mir blieb nur, auf die Polizei und die Kontakte des alten Hasens zu vertrauen.

 

Auf die Arbeit konnte ich mich kaum noch konzentrieren. Ich war zwar anwesend, stand bei Wien Mitte herum, sollte sich ein spannendes Ereignis ergeben, doch innerlich hoffte ich nur, dass die Zeit verging. Die Anwesenheit meines Chefs machte mich nervös – innerlich, äußerlich spielte ich die ganz normale Rebekka Scharfenstein, die sich um das Wohlergehen der gesamten Menschheit sorgte. Aber wie gut gelang mir das? Merkte er es mir an? Ich fühlte mich mies, ihn so dreist zu belügen. Hatte ich überreagiert? Vielleicht sollte es doch nur ein blöder Witz sein und der Exmitarbeiter hatte sich einfach geirrt?

Immer wenn die Mitglieder der schwarzen Hyänen auftauchten, bekam ich Angst. Auf wen würden sie hören, alter Hase oder Chef? Eigentlich waren mir die Leute an sich sehr sympathisch und ich hütete mich davor, ihnen gegenüber meine Angst zu zeigen. Das wäre zu verdächtig. Dennoch war sie da, hielt mich vom schreiben ab, klebte mich bei Wien Mitte fest, denn dort waren viele Menschen und einen Mord würde man wohl eher in einer abgelegenen Seitenstraße ausführen, als in einer Menschenansammlung. Wann würde es wieder Normalität geben? Allmählich befürchtete ich, verrückt zu werden. Ein Einsatz außerhalb Wiens und die Hyänen waren beteiligt? Ich sendete einen Livestandort an den alten Hasen, für alle Fälle. Sicherlich hielt er mich inzwischen auch schon für übersensibel und krankhaft misstrauisch. Wie sollte es weitergehen?