Dieses Audio wurde gesprochen von: Andi

KAPITEL 4

Der AustriaX-TV

 

Ich kam mehr zufällig zum AustriaX-TV. Redakteurin zu werden, war nie mein Plan gewesen. Doch ein beiläufiges Gespräch mit „dem Chef“ weckte mein Interesse. Literarisch kreativ, das lag mir. Aber Einsätze dokumentieren und fremde Leute anquatschen, das konnte ich mir nicht vorstellen. Jedoch war ich bereits so weit in Wien angekommen, dass ich bereit war für neue Abenteuer: Ich wurde Praktikantin. Meine erste Story, die Hochzeit zweier Lost MC Mitglieder, bekam ich von meinem Chef zugeteilt. Anfangs brauchte es noch große Überwindung, die Leute anzuschreiben, zu fragen, Informationen zu bekommen. Mit der Zeit wurde es etwas einfacher.

Einen Chef wie diesen gibt es wohl kein zweites Mal. Ich musste mir keine Sorgen wegen Schwierigkeiten mit irgendwem machen. Mein Chef regelt. Und mit meinem Chef wollte sich auch niemand groß anlegen. Denn er verhielt sich absolut korrekt, höflich, aber nicht einschmeichelnd und kannte sich mit den Gesetzen manchmal besser aus als die Polizei. Erst später wurde es schwieriger, als der AustriaX-TV auch in den Besitz sensiblerer Informationen kam. Einmal wurde sogar ein Kollege entführt. Ich glaube, ich habe meinen Chef noch nie so nervös und wütend erlebt, als er unermüdlich versuchte, an Informationen über den Verbleib seines Mitarbeiters zu kommen. 

Doch zurück zu meinen Anfängen als Journalistin. Da ich weniger der Ereignisreporter war und mehr beobachtete, stand mein Einsatzgebiet schnell fest: Ressort Umwelt und Natur.

 

Ich liebe es, unterwegs zu sein. Zufällig entdeckte ich von einer kurvigen Landstraße aus ein vertrocknetes Bachbett. Meine Neugier war geweckt. Etliche Recherchestunden später, nach Interviews mit der Umweltbehörde, einem Förster und örtlichen Bauern, deren Dialekt ich zu achtzig Prozent nicht verstand, aber es mir zu peinlich war, noch einmal nachzufragen, war meine erste Reportage fertig. Zudem wurde ich um die Erkenntnis reicher, dass ich a) eine Allergie hatte und b) vorher Bescheid sagen sollte, bevor ich allein irgendwo in der Wildnis herumkraxelte. Während ich Fotos von der kleinen Schlucht, die das Wasser mit der Zeit in den Boden gefressen hatte, machen wollte, stach mich eine Biene seitlich in den Hals. In Sekundenschnelle schwoll der Stich an und plötzlich fiel mir das Atmen schwer. Ich alarmierte die Rettung, gab im Funk an meinem Chef durch, dass ich Hilfe brauchte, dann rutschte mir das Funkgerät aus der Hand. Ich wollte danach greifen, aber vom Sauerstoffmangel wurde mir schwummrig vor Augen, ich fiel hin. Wie lange ich dort mitten im Wald lag, weiß ich nicht. Die Rettung suchte nach mir, mein Chef mit dem Redaktionsteam und auch die Feuerwehr. Diese fand mich dann zuerst. Der Notarzt vernebelte Combivent, ich wurde ins Krankenhaus gebracht, ein paar Tage später der Allergietest: Wespen und Bienen waren nun meine Todfeinde. Bei einer weiteren Wanderung verstauchte ich mir den Knöchel. Eine andere Kollegin schaffte es, sich mit dem Finger am Papier zu schneiden und daraufhin umzukippen. Die diversen Autounfälle unserer Mitarbeiter will ich gar nicht erst aufzählen. Als Redakteur lebt, man gefährlicher als man denkt. Doch dazu später mehr.