Dieses Audio wurde gesprochen von: Andi

KAPITEL 8

Ein gefährliches Pflaster

 

Ich stand mit meinen Kollegen bei Wien Mitte. Dank unermüdlicher Überzeugungsarbeit meines Chefs hatten wir zunächst drei neue Praktikanten auf einen Schlag, am nächsten Tag kam ein weiterer dazu. Wir unterhielten uns entspannt mit einigen Passanten. Zum einen, um Langeweile zu vertreiben, aber natürlich auch, um neue Kontakte zu knüpfen. Einer der Leute, mit grünem Oberteil bekleidet, also mutmaßlich ein Gärtner, stieg schließlich in sein Auto. 

Damit meine ich nicht wirklich einen Gärtner, der Hecken schneidet und Blumenbeete pflegt. Die Gärtner waren eine Straßengang in Wien, und aufgrund ihrer grünen Kleidung und ihrer Vorliebe für gewisse Pflanzen, finde ich diese Bezeichnung ganz passend.

 

Kaum war der Gärtner eingestiegen, kamen plötzlich mehrere Funkwagen der Polizei herangeschossen und parkten das Fahrzeug des Mannes zu. Er versuchte noch aus der Lücke zu kommen, rammte dabei den Volvo des Chefs und einen unserer Ax-Media Vans, dann fielen auf einmal Schüsse. 

Sicherlich, als Journalist sucht man gerade gefährliche Situationen, da diese die spannendsten Storys verbergen. Aber lebensmüde sind wir nun auch nicht. Wir flüchteten in den nahegelegenen Billa. Als die Schüsse verklungen waren, trauten wir uns bis zum Fenster vor, um Bilder zu machen. Dann warteten wir darauf, dass die Polizei zu uns käme, um Entwarnung zu geben. Das dauerte eine Weile, aber das ist ja auch nur logisch. Gerade bei Gangmitgliedern weiß man nie, ob nicht plötzlich Verstärkung irgendwo auftaucht. 

 

Die Gangs in Wien sind jedoch generell sehr interessant. Denn es steckt viel mehr dahinter, eine viel größere Dynamik, als einfach nur eine Gruppe von Leuten, die wild um sich schießend Verbrechen begeht. Da geht es um Zusammenhalt, um Familie ohne Blutsverwandtschaft, um gegenseitige Unterstützung und Vertrauen. Es ist eine besondere Art der Lebensgemeinschaft, die für uns Außenstehende wohl schwer zu verstehen ist. Einen kleinen Einblick hatte ich, als bei einem Motorradunfall eine schwarze Hyäne ums Leben kam. Durch nichts könnte diese wertvolle Möglichkeit, sich gegenseitig zu trösten und Halt zu geben, ersetzt werden. 

Die schwarzen Hyänen gehörten zu einer weiteren kriminellen Gruppierung Wiens und je näher ich sie kennenlernte, desto passender wurde dieser Name, den ich ihnen im Kopf gegeben hatte. Offiziell handelte es sich um einen Motorradclub, an dessen Spitze ihre Königin stand. 

Selbstverständlich muss man die kritischen Aspekte im Blick behalten, Gewaltbereitschaft und Kriminalität sind unter Gangangehörigen meist höher als unter den Durchschnittsbürgern. Doch leider geht bei all den negativen Berichten die Vielfalt verloren. Oder hättest Du von der Tierliebe der Gärtner gewusst, die sich aufopferungsvoll um ausgesetzte und misshandelte Tiere kümmern? Vom Talent der schwarzen Hyänen Grillfeiern zu geben und Boxkämpfe auszutragen? Und bei den wichtigsten Ereignissen im Leben hilft sogar die Polizei mit, so wurde dank einigen Exekutivbeamten die Hochzeit zweier Hyänen zu einer spannenden Schnitzeljagd mit Brautentführung.